Im Rahmen meiner Interviews mit ehemaligen Soldaten des 2. Weltkriegs war eine der ersten Fragen die nach einem beeindruckenden Erlebnis im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg.
Erstaunlicherweise berichteten trotz der gezielten Frage nur zwei von 12 Teilnehmern über ein einzelnes Erlebnis. Diese beiden erzählten über eine bestimmte Situation, in der sie verwundet wurden und sich in großer Gefahr befanden. Fast alle anderen erzählten eine lange Geschichte mit mehreren Ereignissen, die mit dem Zeitpunkt ihrer Einberufung begann und bis zum Ende des Kriegs ging. Darunter berichteten drei der Befragten hauptsächlich über ihre Zeit in sowjetischer Kriegsgefangenschaft.
Im Laufe der Interviews war ich dadurch zunächst stark verunsichert und glaubte an einen Fehler in meinem Interviewfragebogen oder der Gesprächstechnik. Diese Art Gespräch kannte ich bislang nur aus der eigenen Familie. Erst mein wissenschaftlicher Betreuer konnte mich beruhigen und mir versichern, dass alles so in Ordnung sei.
Neben den beiden erwarteten einschneidenden und mit Sicherheit traumatisierenden Erlebnissen waren es also überwiegend die längerfristigen existentiellen Bedrohungen, welche die Soldaten nachhaltig „beeindruckt“ und geprägt haben. Diese Bedrohungen konnten in den Erzählungen nicht auf einzelne Erlebnisse reduziert werden.
Eindrückliche Beispiele dafür sind:
– extreme Mangelversorgung, Unterernährung und nahezu fehlende medizinische Versorgung in sowjetischer Kriegsgefangenschaft über mehrere Jahre hinweg. Zwei meiner drei Interviewpartner wurden wegen den Folgen chronischer Unterernährung aus der sowjetischen Gefangenschaft entlassen.
– Rückzugsbewegungen am Ende des Krieges, in denen die Teilnehmer auf deutscher Seite eine sehr schlechte Versorgung mit Ausrüstung und Munition erlebten
„mit Gewehren gegen Panzer“,
„wir sind weggelaufen wie die Hasen“.
Die Erzählenden berichteten davon meistens sehr gefasst, sachlich und in chronologischer Abfolge. Ob den Erzählenden klar war, wie diese Erlebnisse ihre Persönlichkeit geprägt haben, blieb meist offen. Mit den psychischen und körperlichen Folgen derartiger Erlebnisse wird sich ein späterer Beitrag befassen.